Milliarden auf Nachrichtenlose Konten – und was jetzt damit passieren soll
In Deutschland schlummert ein Milliardenvermögen im Verborgenen – auf sogenannten nachrichtenlosen Konten. Nach aktuellen Schätzungen könnten zwischen 1,8 und 4,2 Milliarden Euro auf Bankkonten liegen, zu denen es seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr gibt. Wie kommt es dazu, dass Menschen ihr eigenes Geld verlieren? Und was soll mit diesen herrenlosen Guthaben künftig passieren?
Was sind nachrichtenlose Konten?
Ein nachrichtenloses Konto ist ein Bankkonto, Sparbuch oder Depot, zu dem über einen sehr langen Zeitraum – oft über 30 Jahre – keine Aktivitäten und kein Kontakt zum Kontoinhaber mehr stattgefunden haben. Die Bank erhält keine Rückmeldungen, Briefe kommen als unzustellbar zurück, und das Guthaben bleibt unangetastet. In der Praxis gelten solche Konten dann als „herrenlos“.
Allerdings fehlt in Deutschland bislang eine klare gesetzliche Definition für den Begriff „nachrichtenlos“. Das sorgt für Unsicherheit – sowohl bei den Banken als auch bei potenziellen Erben. Ein aktuelles Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hat das Thema aufgegriffen und sorgt nun für Diskussionen.
Wie kann ein Konto einfach vergessen werden?
Für viele Menschen klingt es unvorstellbar, ein Konto zu vergessen. Doch die Realität ist komplexer. Es gibt zahlreiche Gründe, warum ein Konto nachrichtenlos werden kann:
- Multi-Banking: Viele Menschen nutzen verschiedene Banken für unterschiedliche Zwecke – Girokonto, Tagesgeld, Bausparverträge, Depots. Im Laufe der Jahre verliert man leicht den Überblick.
- Umzüge: Besonders bei häufigem Wohnortwechsel werden Adressänderungen nicht immer überall hinterlegt. Die Kommunikation mit der Bank bricht ab.
- Todesfall: Nach dem Tod eines Menschen bleiben viele Konten unentdeckt, wenn keine Übersicht oder kein Testament vorliegt.
Laut Philipp Rehberg von der Verbraucherzentrale Niedersachsen ist das kein Einzelfall: „Es gibt Fälle, in denen Sparverträge nach 40 Jahren wieder auftauchen – weil sie schlicht vergessen wurden.“
Milliarden auf vergessenen Konten
Das erwähnte Gutachten schätzt das Gesamtvolumen nachrichtenloser Konten in Deutschland auf bis zu 4,2 Milliarden Euro. Diese Gelder gehören zwar theoretisch weiterhin den Eigentümern oder deren Erben, praktisch sind sie jedoch oft dauerhaft nicht mehr abrufbar – insbesondere, wenn keine Dokumentation existiert.
Die Banken müssen das Guthaben solcher Konten bilanziell als Gewinn erfassen – und versteuern. Der tatsächliche Zugriff auf das Geld durch den ursprünglichen Eigentümer ist damit faktisch ausgeschlossen, wenn dieser sich nicht mehr meldet.
Was plant die Bundesregierung?
Die Bundesregierung diskutiert derzeit die Einrichtung eines sogenannten Social Impact Fonds. In diesen Fonds könnten die Gelder aus nachrichtenlosen Konten überführt werden – mit dem Ziel, soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Projekte zu finanzieren.
Das Besondere: Der Fonds wäre rückzahlbar – das heißt, wenn sich ein berechtigter Kontoinhaber oder Erbe nachträglich meldet, könnte er das Geld dennoch zurückerhalten.
Eine gesetzliche Regelung ist derzeit aber noch nicht verabschiedet. Laut Bundesforschungsministerium ist das Gutachten lediglich „eine Diskussionsgrundlage“, über deren Umsetzung sich die Bundesregierung intern noch abstimmt.

Kritik: Vertrauen in Banken nicht gefährden
Die Deutsche Kreditwirtschaft äußert sich skeptisch gegenüber einer vorschnellen Umsetzung. Kritisch sei vor allem die im Gutachten vorgeschlagene Verkürzung der Frist, nach der ein Konto als nachrichtenlos gelten könnte – von 30 auf 10 Jahre. „Das könnte ein problematisches Signal an Bankkundinnen und -kunden senden“, so eine Sprecherin.
Es müsse deutlich gemacht werden, dass der Staat nicht wahllos auf Bankvermögen zugreift, sondern nur dann, wenn keine Rückverfolgung mehr möglich ist – und auch dann nur mit Rückgabeoption.
Wie kann man sich schützen?
Wer verhindern will, dass sein eigenes Konto eines Tages in Vergessenheit gerät, kann einige einfache Maßnahmen ergreifen:
- Übersicht führen: Erstelle eine Liste aller Konten, Depots, Versicherungen und Schließfächer.
- Regelmäßige Kontrolle: Aktualisiere die Liste mindestens einmal im Jahr.
- Testament hinterlegen: Hinterlege dein Testament beim Notar. Es wird dort registriert und im Erbfall automatisch eröffnet.
- Angehörige einbeziehen: Sprich mit deinen Vertrauten über deine finanziellen Verhältnisse – besonders, wenn du älter wirst oder umziehst.
Fazit: Nachrichtenlose Konten sind vermeidbar
Die Diskussion über nachrichtenlose Konten zeigt: Geld vergisst man leichter, als man denkt. Doch mit klarer Organisation und Kommunikation lassen sich solche Situationen vermeiden. Wer vorsorgt, schützt nicht nur sein Vermögen – sondern erleichtert auch seinen Angehörigen den Umgang mit Erbschaften und Finanzen.
Ob und wie der Staat künftig auf herrenlose Gelder zugreifen wird, bleibt offen. Sicher ist jedoch: Solche Themen gewinnen in einer alternden Gesellschaft und in Zeiten zunehmender Digitalisierung immer mehr an Bedeutung.
Quellen: 4,2 Mrd. Euro auf Konten vergessen: Das plant der Staat mit dem Geld – FOCUS online
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